Open Education

Spätestens seit der Capetown Open Education Declaration ist der Begriff Open Education international mit den Potenzialen der Digitalisierung verknüpft. In ihrer Folge traten vor allem Open Educational Resources (OER) in den Vordergrund, mit denen die Hoffnung verbunden ist, hochqualitative Bildung möglichst vielen Menschen weltweit über das Internet zugänglich zu machen. Die UNESCO hat das Thema ebenfalls 2012 aufgegriffen und unterstützt seither das globale Projekt.[1][2][3]

Open Educational Resources (OER) an der TUHH

Die TUHH hat sich seit dem Beginn des Projekts Hamburg Open Online University (HOOU) 2014 aktiv in den Diskurs um Open Education und Open Educational Resources eingebracht. In diesem Prozess sind zahlreiche OER-Materialien entstanden, die sowohl auf der HOOU-Plattform als auch dezentral im Netz zu finden sind (s. Kasten).

Das HOOU-Projekt und die Entwicklung von OER-Materialien haben an der TUHH auch die Diskussion um eine IT-Infrastruktur angestoßen, mit der zentrale Werte von Open Education und Open Educational Resources unterstützt werden können. Partizipation, Kollaboration, Zugang, Interdisziplinarität und Forkability sind hier zu nennen, die wir versuchen, über eine TUHH-eigene Instanz von GitLab einzulösen. Durch enge Zusammenarbeit von TUHH-Rechenzentrum, TUHH-Bibliothek, Projektverantwortlichen und dem Hamburger Datenschutzbeauftragtem ist es uns gelungen, GitLab für die Welt zu öffnen und damit einer weltweiten Community von Lehrenden und Forschenden die Zusammenarbeit an Text- und Softwareprojekten im deutschen Rechtsraum zu ermöglichen.

Die Idee freier und offener Bildung ist jedoch weitaus älter, als es die aktuellen lebhaften Diskussionen um Massive Open Online Courses (MOOCs) und Open Educational Resources vermuten lassen. Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten sich weltweit reformpädagogische Ansätze heraus, die unter dem Diskurs Open Education zu fassen sind. A.S. Neill und Homer Lane experimentierten mit freiem Spiel, neuen Architekturen und mehr Verantwortung, die sie den Schüler_innen zugestanden. Sie sahen Lernende im Zentrum und förderten deren individuelle Entwicklung, Emanzipation und Autonomie (vgl. für einen Abriss dieser Entwicklungen Peters, 2008, 7f.) Aber nicht nur im angelsächsischen Raum wurden neue Ansätze in der Erziehung, Ausbildung und Bildung ausprobiert. Auch in Deutschland, Russland, Frankreich und der Schweiz haben sich Lehrende, Philosoph_innen und Politiker_innen mit diesem Thema beschäftigt. Der Konferenzband von Nyberg (2010) zeigt z.B., wie schon Mitte der 1970er Jahre Philosoph_innen versucht haben, Open Education genauer zu bestimmen. Im Überblick der Beiträge wird deutlich, dass der Begriff nicht zwingend an Technologie geknüpft ist, sondern primär soziale Aspekte für freie und offene Bildung eine Rolle spielen. Im Mittelpunkt stehen Autonomie, freie Entfaltung, kritisches Denken und ein ausgewogenes und respektvolles Verhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden.

 

Einflüsse der Reformpädagogik

Einer der einflussreichsten Reformpädagogen war sicherlich Friedrich Fröbel, ein Schüler Pestalozzis, der 1838 seine Fröbelgaben der Öffentlichkeit vorstellte. Damit gab er Kindern einen Experimentierkasten an die Hand, mit dem diese spielerisch die Welt erkunden konnten und zu eigenen Fragestellungen angeregt wurden. Seine Auffassung vom Lernen prägt auch heute noch die Lifelong Kindergarten Group am MIT Media Lab. Die vier Werte Projects, Passion, Peers und Play stehen hier im Mittelpunkt und richten sich nicht nur auf die Erziehung von Heranwachsenden, sondern sind auch leitend für die Studierenden und Lehrenden, die am MIT Media Lab lernen und arbeiten.

Students rapidly build prototypes, play with them, share their prototypes with other students, and reflect on what they’ve learned. Then, it’s time to imagine the next version of the prototype, and they go through the spiral again – and again and again (Resnick, 2017, S. 13).1

Die vier P’s der Lifelong Kindergarten Group haben den beschriebenen Prozess an der TUHH positiv beeinflusst. Wir verstehen das digitale Experimentierfeld der TUHH als einen Raum, in dem Neues spielerisch und angstfrei erprobt wird und Scheitern als Chance für Fortschritt gesehen wird. Agile Ansätze helfen uns, neue digitale Technologien schnell und ressourcenschonend auszuprobieren, vornehmlich mit freier und quelloffener Software. Auf der Ebene der IT-Infrastruktur setzen wir begeistert Containervirtualisierung mit Docker ein. Damit ist es möglich, freie und offene Softwareanwendungen für die Lehre schnell aufzusetzen und zu evaluieren.

 

Spielerisch lernen in digitalen Zeiten

In der Lehre setzen wir z.B. auf einen spielerischen und explorativen Lernprozess mit offenen Microcontroller-Plattformen wie Raspberry Pi, micro:bit und Arduino. So wollen wir einen niedrigschwelligen Zugang zu Konzepten und Möglichkeiten digitaler Informationssysteme bieten.

Mit dem wöchentlichen Hack[a|er]space bietet die TUHH allen Interessierten im Sinne der vier P’s einen Ort, um an Projekten zusammenzuarbeiten und sich auszutauschen. Own Your Brought Device ist das Motto, das auf die Aneignung und Beherrschung komplexer Technik abzielt, nicht nur auf deren Anwendung. Die Veranstaltung ist öffentlich und darauf ausgelegt, auch TUHH-externe anzuziehen.

 

Referenzen

Nyberg, D. (Hrsg.). (2010). The Philosophy of Open Education (International library of the philosophy of education) (Nachdruck d. 1. Aufl. v. 1975.). London: Routledge.

Resnick, M. (2007). All I really need to know (about creative thinking) I learned (by studying how children learn) in kindergarten. In Proceedings of the 6th ACM SIGCHI Conference on Creativity & Cognition (S. 1–6). ACM. Zugriff am 17.8.2018. Verfügbar unter: http://web.media.mit.edu/%7Emres/papers/kindergarten-learning-approach.pdf

Resnick, M. (2017). Lifelong Kindergarten: Cultivating Creativity Through Projects, Passion, Peers, and Play. Cambridge, Massachusetts: MIT Press.


  1. Für eine Abbildung der “Creative Learning Spiral” vgl. Resnick (2007, S. 2) oder Resnick (2017, S. 11).↩

Dieser Beitrag wurde verfasst von Axel Dürkop.