Der Einfluss von Software auf unsere Lebens- und Arbeitswelt wird immer deutlicher wahrnehmbar und verstärkt sich zusehends. So besteht bspw. das Internet, wie wir es heute in Form des World Wide Web hauptsächlich verwenden, nicht mehr nur aus statischen Webseiten, sondern aus komplexen Applikationen wie Shops oder sozialen Netzwerken. Auf unseren Mobiltelefonen befinden sich Apps, mit denen wir ständig interagieren und Daten austauschen, technische Geräte wie Waschmaschinen, Autos, Fahrkartenautomaten und Fernseher funktionieren nicht mehr ohne Software.
Software entsteht in interdisziplinärer Teamarbeit
U.a. aus diesem Grund ist eine oft gehörte Forderung dieser Tage, dass Menschen früh das Programmieren lernen sollten, um später in der Arbeitswelt bestehen zu können und besser zu verstehen, wie die Welt um uns herum funktioniert. Auch wenn diese Forderung vielleicht berechtigt ist und Grundkenntnisse der Softwareentwicklung in digitalen Zeiten nicht schaden können, liegt der eigentliche Kern der Sache woanders: Moderne Softwareanwendungen bestehen nicht nur aus dem Quellcode, der sie antreibt. Sie enthalten Informationen in Form von (bewegten) Bildern, Tönen, Texten und Daten, die erstellt und in die Anwendung integriert werden müssen. Häufig müssen die Anwendungen auch noch in zahlreiche weitere Sprachen übersetzt werden. Diese Aufgaben verteilen sich im Entwicklungsprozess von Software in der Regel auf ganz unterschiedliche Personen, Berufe und Professionen, und am Ende kommt ein multimediales digitales Produkt heraus, das durch Programmcode zusammengehalten wird und seine interne Logik und Funktionsweise erhält.
Was in diesem Sinne für Software gilt, ist auch auf digitale Medien allgemein übertragbar. Bücher sind heute zunächst immer digital vorhanden, auch wenn sie in einem letzten Schritt auf Papier gedruckt werden. Lehr-/Lernmaterialien in Form von PDF-Dokumenten, Webseiten oder Infografiken entstehen in der Regel durch Viele, die gemeinsam an einem Produkt arbeiten und ihren professionellen Teil dazu beitragen. Für eine technische Hochschule ist es daher nicht nur wichtig, das Programmieren zu lehren. Es ist heute ebenso wichtig, mit den Tools und Workflows vertraut zu machen, die Kollaboration und Teamarbeit an digitalen Artefakten erst ermöglichen. Software – und damit auch die Welt, in der wir in Zukunft leben werden – entsteht in interdisziplinärer Teamarbeit.
Daher sei an dieser Stelle die These gewagt, dass nicht jede und jeder unbedingt programmieren können muss. Wichtiger ist die Kenntnis von Kollaborationstools und -workflows, da sie auch nichtprogrammierende Menschen in die Lage versetzt, die digitale Zukunft mitzugestalten und sich aus seiner Profession heraus an digitalen Projekten beteiligen zu können. An der TUHH ebnen wir mit einer hauseigenen weltöffentlichen GitLab-Instanz dieser Kompetenzförderung den Weg.
Von der Open-Source-Bewegung lernen
GitLab ist eine Software zur dezentralen Zusammenarbeit an textbasierten digitalen Artefakten. Das bedeutet, dass Menschen weltweit verteilt, aber dennoch gemeinsam an Software, Webseiten, Texten und Datensammlungen arbeiten können. Sie müssen sich dazu nicht einmal persönlich kennen oder sehen und können doch Großes vereint zustande bringen. Diese Form der Kollaboration ist aus der Open-Source-Bewegung entstanden und erhielt 2005 neuen Schwung durch die Veröffentlichung von Git, einem Tool zur Verwaltung von Zwischenständen im Entwicklungsprozess von Software. Zu dieser Zeit war der Kollaborationsaspekt von Git noch nicht sehr ausgereift. Als 2008 das amerikanische Unternehmen GitHub mit seiner gleichnamigen Webplattform zum gemeinsamen Arbeiten an Code auf den Markt trat, veränderte sich die Entwicklungskultur der Open-Source-Gemeinschaft entscheidend: Durch den Mechanismus des Forkens ist es nicht mehr wie zuvor nötig, das Vertrauen einer Projektcommunity zu gewinnen, um Code beisteuern zu dürfen. Man fertigt nun online eine Kopie des Quellcodes an, verbessert ihn und stellt dann einen pull request an die Urheber_innen, mit dem diese aufgefordert werden, den Beitrag zu integrieren. Diesem Feature der Plattform ist es zuzuschreiben, dass sich die Entwicklung großer und kleiner Softwareprojekte im Open-Source-Umfeld rasant beschleunigte.
Die TUHH hostet eine eigene GitLab-Instanz
Für eine Hochschule stellt sich die Frage, ob die systematische Förderung von Kollaboration und Teamarbeit auf der proprietären Plattform GitHub im amerikanischen Rechtsraum strategisch klug ist. Rechtliche Aspekte in verschiedener Hinsicht sowie die Abhängigkeit von sich wandelnden Geschäftsmodellen im Startup-Sektor legen nahe, Alternativen im Bereich freier und quelloffener Software zu suchen. Aus diesen Gründen hat sich die TUHH entschieden, Kollaboration und Teamarbeit im skizzierten Sinne mit GitLab zu betreiben und aktiv zu fördern.
Seit dem 17. November 2016 hostet das Rechenzentrum der TUHH eine eigene GitLab-Instanz in der Community Edition. Der Prozess bis dahin ist eng verwoben mit dem HOOU-Projekt an der TUHH, in dem wir mit GitLab die ganzheitliche Entwicklung von Open Educational Resources (OER) implementiert haben. Am Prozess der Einrichtung und Bereitstellung des Dienstes waren und sind viele Akteur_innen der TUHH beteiligt, die gemeinsam daran arbeiteten, den Dienst weltöffentlich für alle Interessierten online zu stellen. Nichts Geringeres als interdisziplinäre und internationale Forschungs- und Lehrkooperationen sind das Ziel des öffentlichen GitLabs der TUHH. GitLab ist für viele Institute der Hochschule zu einem zentralen Werkzeug der Zusammenarbeit geworden, wir zählen bis heute über 1000 registrierte Nutzer_innen und entwickeln fortlaufend neue Ideen zum Einsatz in Forschung, Lehre und Projektmanagement.
Der Prozess bringt Akteur_innen näher zusammen
Darüber hinausgehend hat der Prozess der Einrichtung von GitLab viele Angehörige der TUHH in der Diskussion über die Digitalisierungsstrategie der Hochschule näher zusammengebracht. U.a. wurde die Arbeitsgruppe openTUHH gegründet, in der sich die Diskurse Open Education, Open Science und Open Access bündeln. Sie werden von verschiedenen Instituten, der TUHH-Bibliothek, dem Rechenzentrum und dem Präsidium verfolgt und gestaltet. Die Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten der TUHH hat dazu geführt, den Dienst von Anfang an sicher im Angebot der Hochschule zu verankern und alle Akteur_innen für die Anforderungen an Sicherheit, Datenschutz und verschiedene rechtliche Aspekte zu sensibilisieren. Schließlich hat sich eine monatliche Arbeitsgruppe zu GitLab herausgebildet, in der die Wünsche und Anforderungen der Nutzer_innen reflektiert werden, um die Nutzungsmöglichkeiten entsprechend anzupassen.
Zusammenfassung
Zu diesem Zeitpunkt können wir festhalten, dass GitLab mit seinen vielen technischen Möglichkeiten zahlreiche Nutzer_innen an der TUHH begeistert. Zudem zeigt der Prozess der Einrichtung und Bereitstellung, welche positiven Effekte sich auf verschiedenen Ebenen innerhalb der eigenen Hochschule ergeben können. In den zahlreichen Projekten, die wir bisher mit GitLab durchgeführt haben, haben sich Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Erfahrungen und Kenntnissen produktive Teams gebildet, die gemeinsam freie Software und offene Bildungsressourcen entwickeln können.
Weitere Artikel zum Thema in diesem Blog
GitLab kam bisher in einer Reihe verschiedener Projekte zum Einsatz, die in den folgenden Beiträgen weiter ausgeführt werden:
Weiterführende Links und Literatur
- Entwicklung einer offenen technischen Infrastruktur für HOOU-Lernarrangements an der TUHH im Blog der HOOU, 28.04.2016
- Ein technisches System für die kollaborative OER-Entwicklung im Experimentierfeld der TUHH im Blog der HOOU, 01.06.2017
- Bell, P. (2015). Introducing Github: A Non-Technical Guide. Sebastopol, CA: O’Reilly Media Inc.
- Hogbin Westby, E. J. (2015). Git for Teams. Sebastopol: O’Reilly.
Dieser Beitrag wurde verfasst von Axel Dürkop.